Gemischte Teams funktionieren nachweislich besser

Seit 20 Jahren bin ich nun in der Primarschule unterwegs. Ich habe immer in Mehrjahrgangsklassen unterrichtet. In meiner Primarschulzeit bin ich selbst so zur Schule gegangen und als Lehrerin hat mich das pädagogische Konzept der Mehrjahrgangsklassen überzeugt. Verschiedene Jahrgänge in einer Klasse – ein Erfolgsrezept!
Es gibt sehr viele Studien zu diesem Thema, das sowohl bei Eltern wie bei den Lehrpersonen unterschiedlich bewertet wird. Alle Studien sagen im Wesentlichen das Gleiche aus, nämlich, dass Lernen in altersgemischten Klassen «nicht schlechter» ist. Das heisst im Umkehrschluss, dass Lernen in Jahrgangsklassen «nicht besser» ist! Für mich kommen jetzt gewichtige Vorteile hinzu, zum Beispiel soziales Lernen. Im kooperativen und sozialen Lernen sind die Vorteile des altersgemischten Unterrichts unbestritten und signifikant. Das wird sogar in der internationalen Hattie-Studie anerkannt, der grössten Studie überhaupt.
Ich bin jedoch keine Wissenschaftlerin, sondern Praktikerin. In meinem Schulalltag erlebe ich immer wieder, wie die Schülerinnen und Schüler voneinander profitieren. In gemischten Teams sind die Schülerinnen und Schüler erfolgreicher unterwegs und dies gilt nicht nur für die Geschlechter, sondern auch für die Leistungsniveaus.
Aber genau diesen Vorteil nimmt man in der 6. Klasse weg. Dort wird plötzlich separiert, getrennt, eingeteilt in gut und schlecht. Vorher habe ich als Lehrerin das ganze Jahr, oder im Idealfall über mehrere Jahre, das Kind begleitet, gefördert, motiviert, gefordert und unterstützt. Auf den Tag X muss ich nun das Kind in Real oder Sek einteilen. Dies widerspricht meiner Berufsauffassung.
Schülerinnen und Schüler sollen Leistung erbringen, sie sollen zeigen können, was in ihnen steckt, sie sollen ihre Ressourcen aktivieren, aber nicht ausschliesslich und punktgenau Ende der 6. Klasse. Der Zeitpunkt ist das Problem. Viele Schülerinnen und Schüler sind dann genau am Anfang der Pubertät. Dies ist eine Zeit der Veränderung. Die Jugendlichen sind stark mit sich selbst beschäftigt und haben ihre spezifischen Probleme. Die Schule hat da nicht unbedingt Priorität. In unserem System sollten sie aber genau dann ihre Leistung am perfektesten zeigen, damit klar wird, wie ihre Schullaufbahn weitergeht. Das ist für mich fragwürdig. Eine Verschiebung der Selektion würde für alle Beteiligten, Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrpersonen eine spürbare Entlastung bringen! Und das ohne Einbusse der Leistungsfähigkeit.